Leben in zwei Welten – Passion und Faszination miteinander verbinden

Die Erlebnisse und Erfahrungen während meines Aufenthalts im südlichen Afrika prägten mich sehr und es war für mich sehr schwer mich nach meinem Aufenthalt wieder in dieser „unverhältnismäßigen Überfluss- und Konsumgesellschaft“ zurechtzufinden, einer Gesellschaft, deren vorherrschende Mentalität ich ablehnte und die mir mit all den Erlebnissen und Erfahrungen „im Kopf“ noch absurder vorkam …
… doch zugleich halfen mir meine Erlebnisse und Erfahrungen nun nicht wieder mit den hiesigen Gegebenheiten zu hadern, sondern mich entsprechend der kennengelernten Lebensphilosophie auch hier auf das Machbare und Positive zu konzentrieren 😉 🙂 .

Da ich nun leider nicht mehr direkt vor Ort gemeinsam mit den Menschen etwas bewirken konnte, musste ich irgendwie Wege finden, von hier aus tätig werden zu können. Immer wieder versuche ich Verbindungen zwischen den beiden Lebenswirklichkeiten zu finden, die es zulassen, eine Angleichung der extrem ungleichen Lebensbedingungen herbeizuführen gemäß dem Motto „think global and act local“ als Leitgedanke einer fairen Globalisierung. Und was liegt da näher, als den Müll der Überfluss- und Konsumgesellschaft zu nutzen, um damit „Gutes zu tun“ 😉 ?

Wie im wahrsten Sinne es Wortes „überlebenswichtig“ dieser vermeintliche Müll der Wohlhabenden ist und was es bedeutet, wenn Menschen „von dem Müll“ der Wohlhabenden leben müssen, erlebte ich während meines Aufenthaltes hautnah:

  • Viele Menschen leben und überleben von dem, was andere wegwerfen; Obdachlose suchen in den Mülltonnen nach etwas Essbarem, Straßenkinder bekommen an Ampeln die Reste, die von schönen Familienausflügen übrigblieben, Angestellte dürfen manchmal für ihre Familien Essensreste mitnehmen.
  • Viele Menschen nutzen das, was andere Wegwerfen, um daraus etwas herzustellen, was sie sich selbst nicht leisten können; in den Townships bauen sie aus Abfall ihre Häuser, sie richten sich mit dem Sperrmüll anderer ein.
  • Viele Menschen nutzen das, was andere wegwerfen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen; sie stellen aus Weggeworfenem Kunstwerke her, die sie verkaufen – das geht aber nur dort, wo Menschen es sich leisten können, diese „nicht lebensnotwendigen“ Dinge zu kaufen und es geht nur, weil es Menschen gibt, die die Arbeit und Mühe wertschätzen und diese Menschen durch den Kauf unterstützen wollen; so wie beispielsweise in Südafrika, wo diese beiden Parallelwelten existieren.

Und genau diese Idee „aus Weggeworfenem kleine Kunstwerke herzustellen“ wollte ich nun nutzen, um auch hier mit dem Müll unserer Überfluss- und Konsumgesellschaft Geld einzunehmen und damit die Menschen, die ich in Südafrika und Lesotho kennenlernen durfte, zu unterstützen. Das war genau die Verbindung zwischen den beiden Lebenswelten, nach der ich suchte … und aus dieser anfänglich recht wagen Idee entwickelte sich so viel mehr … 🙂 🙂 🙂 !

Denn wie es der Zufall wollte, sollten genau nach meiner Rückkehr (Sommer 2012) an der Grundschule Falkenfeld Wahlpflichtkurse angeboten werden, d.h. die Kinder der 3. und 4. Klassen dürfen einen Kurs aus dem musischen, sportlichen oder künstlerischen Bereich wählen, an dem sie 1x wöchentlich teilnehmen. Sofort und sehr gerne nutzte ich diese Gelegenheit, um mein Vorhaben in die Tat umzusetzen. Ich bot einen Wahlpflichtkurs mit dem Namen „Wir basteln Schönes und Nützliches aus Natur- und Recyclingmaterialien“ an.
In diesem Kurs stellen die Kinder aus Materialien, die sie in der Natur finden bzw. aus Recyclingmaterialien (Weggeworfenem/Abfall) Schönes und Nützliches her. Ihre Kunstwerke verkaufen sie auf den jährlich stattfindenden Oster- und Weihnachtsbasaren. Die hierdurch eingenommenen Gelder werden unserer Partnerschule, der Primary School Mokhotlong, in Lesotho zur Verfügung gestellt. Dieser Kurs beinhaltet und verbindet unzählige Lernanlässe aus den Bereichen Umweltschutz, sowie soziales & interkulturelles Lernen. Ich denke sinnvoller kann man den Abfall unserer Wegwerf- und Konsumgesellschaft nicht nutzen 😉 🙂 .

Der Leitgedanke des Wahlpflichtkurses-Kurses wurde während einer Projektwoche mit dem Motto „Wir kümmern uns um uns, um andere und um unsere Umwelt“ (9.5.-13.5.2016) allen Kindern der Schule bewusst gemacht und nachhaltig im Schulleben verankert. Basierend auf der grundlegenden Intention die Umwelt zu schützen, wurde der Bereich des Umweltschutzes durch vielfältige Recycling- und Upcyclingprojekte mit weiteren Lernbereichen vernetzt, wodurch sehr unterschiedliche Projekte gestaltet werden konnten.

Die Intention, die Kinder so an der „Gestaltung einer schönen und gerechten Welt“ mitwirken zu lassen, wurde zunehmend zu einem wesentlichen Leitgedanken unseres Schullebens. Dabei ergab es sich, dass immer wieder die Lerninhalte und –ziele aus den Bereichen Umweltschutz, Gesundheitsförderung, soziales und interkulturelles Lernen sinnvoll miteinander vernetzt werden konnten und diese Bereiche somit das Gerüst für vielfältige Aktivitäten bildeten.
Entsprechend unserer Intention, die Kinder an der „Gestaltung einer schönen und gerechten Welt“ mitwirken zu lassen, wurden wir im Schuljahr 2016/17 als Zukunftsschule ausgezeichnet, d.h. als eine Schule, welche die Ziele einer „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ intensiv verfolgt. Eine Bildung für nachhaltige Entwicklung verfolgt das Ziel, den Kindern „den Grundgedanken einer nachhaltigen Entwicklung, d.h. einer globalen Entwicklung, welche die Natur schont, gerecht ist und dazu beiträgt, dass alle Menschen friedlich zusammenleben zu vermitteln“ (s. Zukunftsschule) und diesen Gedanken entsprechend dem Motto „think global – act local“ durch vielfältige Aktivitäten lebendig auszugestalten. Dazu gehört, entsprechend unseres Erziehungs- und Bildungsauftrages, den Kindern nachhaltiges Denken und Handeln zu ermöglichen und Wissen (Theorie) und Gestaltungskompetenz (Praxis) zu vermitteln … oder mit den Worten der Kinder: „Wir kümmern uns um uns, um andere und um unsere Umwelt.“ Zunächst wurde die Moravian Primary School (Südafrika; 2012-2015) und später die Primary School Mokhotlong (Lesotho, seit 2016) zur Partnerschule der Grundschule Falkenfeld.

Ich hatte also einen Weg gefunden, von hier aus tätig werden zu können und zugleich meine beiden Passionen -als Grundschullehrerin tätig zu sein und meine Liebe zu Afrika- auf sinnvolle Weise miteinander verbinden zu können; denn was ist wertvoller und nachhaltiger, als Kindern, im Sinne einer globalen nachhaltigen Entwicklung, einen Weg aufzuzeigen an der „Gestaltung einer schönen und gerechten Welt“ mitwirken zu können und ihnen dementsprechend erstrebenswerte Wertvorstellungen und grundlegendes Wissen zu vermitteln 🙂 ?

Die Philosophie des Vereins -„Viele kleine Leute, an vielen kleinen Orten, können mit vielen kleinen Taten das Gesicht der Welt verändern”- wird so im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung von den Kindern aktiv gelebt und entfaltet sich somit auch innerhalb des Schullebens und weit darüber hinaus … 🙂 !

Die beiden Leitgedanken:
„think global – act local
& konzentriere dich dabei immer auf das Positive und Machbare!“
sind zu persönlichen Erkenntnissen meiner Reisen worden … 😉 🙂